Altes Rathaus
Ein imposantes Gebäude für das kleine Dorf Griesheim
In unmittelbarer Nähe zur Gaststätte „Zum Grünen Laub“, im Griesheimer Volksmund besser bekannt als Zöllerhannes, stand von 1625 bis 1944 das alte Rathaus der Stadt. Ein imposantes Gebäude für das damals noch sehr kleine Griesheimer Dorf mit etwa 150 Haushalten!
Das zweigeschossige Haus mit einer großen Toreinfahrt ragte leicht aus der Straßenflucht hervor und wurde mit einem auffallend geschwungenen zweigeschossigen Giebeldach versehen. Das war eine moderne und einzigartige Bauweise für das Griesheim im 17. Jahrhundert, die dadurch das Ortsbild maßgeblich prägte. Die oberen Geschosse waren wahrscheinlich über ein vorgelagertes Treppenhaus erreichbar. Dieses Treppenhaus könnte allerdings im 19. Jahrhundert abgerissen worden sein, um mehr Straßenraum zu gewinnen. Fotografien oder Zeichnungen sind davon nicht überliefert, jedoch sind Bauarbeiter bei Straßenbauarbeiten an dieser Stelle Ende des 20. Jahrhunderts auf die Grundmauern eines Treppenhauses gestoßen.
Auf dem Rathaus befand sich ein kleiner Turm für die Rathausglocke. Diese war sowohl Uhr als auch Alarmanlage der Gemeinde. Außer der Amtsstube des Bürgermeisters befanden sich im Rathaus die Polizeiwache und der Arrestraum, die Stube für den Nachtwächter sowie die Feuerspritze. Für sie war wohl das große Tor auf der Südseite des Hauses notwendig.
Der Neubau im Jahr 1625 war nötig gewesen, da das alte Rathaus drei Jahre zuvor von Söldnern des Grafen Peter Ernst II. von Mansfeld im Dreißigjährigen Krieg niedergebrannt worden war.
Das alte Rathaus blieb bis zum Jahr 1900 der Mittelpunkt Griesheims. Dann zog die Verwaltung der Stadt in neue Räumlichkeiten: das alte Schulgebäude an der Ecke Groß-Gerauer Straße und heutiger Wilhelm-Leuschner-Straße. Das Gebäude in der Oberndorferstraße blieb weiterhin in Besitz der Gemeinde, wurde allerdings von der Verwaltung von diesem Zeitpunkt an nur noch für besondere Anlässe genutzt. Die Griesheimer Feuerwehr hatte dort noch lange Zeit ihr Spritzenhaus und in Zeiten von Schulraumnot in den 1920er Jahren wurde im alten Rathaus die Fortbildungsschule untergebracht.
Verheerende Bombenangriffe im Zweiten Weltkrieg
Das alte Rathaus in der Oberndorferstraße wurde in den 1920er Jahren frisch saniert, doch das Gebäude sollte nur noch zwei Jahrzehnte stehen. Im Zweiten Weltkrieg wurde es bei zwei Bombenangriffen beinahe komplett zerstört. Am 26. August 1944 wurde das Gebäude das erste Mal schwer von Bomben getroffen. Das Dach stürzte ein und das Gebäude brannte aus.
Der erste Angriff auf Griesheim war im Voraus nicht geplant gewesen und nur eine Verkettung von unglücklichen Zufällen. Denn die Bomben galten eigentlich der Nachbarstadt Darmstadt. Der verfehlte Angriff im August, der Griesheim zerstörte, wurde in der Darmstädter Brandnacht vom 11. September 1944 nachgeholt.
Der Leiter des Fliegerangriffs musste wegen technischer Defekte umkehren, seine Stellvertreter wurden abgeschossen, ehe man Darmstadt erreichte. Die Bomber waren folglich ohne direkte Befehle und setzten ihre Leuchtmarkierungen zu weit westlich. Das Ergebnis dieses Fehlers: 40 Luftminen, 140 Sprengbomben, 20000 Stabbrandbomben und 50 Phosphorbomben gingen auf Griesheim nieder. 71 Griesheimer starben, 332 wurden verletzt.
Bei einem zweiten Angriff auf Griesheim, an Heiligabend 1944, wurde das bereits schwer beschädigte Rathaus erneut von Bomben getroffen. Es blieben nur noch Ruinen zurück, die in der Nachkriegszeit fast komplett abgerissen wurden. Ein Stück der Nordwand ließ man stehen. Es erinnert noch heute an das alte Rathaus.
Das neue Rathaus entstand in der Wilhelm-Leuschner-Straße. Der Baubeginn war im August 1952, die Einweihung konnte die Gemeindeverwaltung am 21. November 1953 feiern. Die Kosten beliefen sich auf insgesamt 394000 DM.
Nach dem Umzug in das neue Gebäude war noch die Polizeistation im Erdgeschoss, später dann im Nordflügel des Rathauses. Doch aus Platzgründen zogen die Ordnungshüter schon bald in das östlich benachbarte Gebäude, das die Stadt käuflich erwerben konnte.
Mitte der 1970er Jahre fand der Uhrturm der alten Schule seinen Platz auf dem Rathaus, der bis heute auf dem Dach zu sehen ist. Bis auf das Kochschulhaus und die Horst-Schmidt-Halle wurden dort alle Gebäude abgerissen, um Platz für die Straßenbahnwendeschleife zu machen.
1 Knapp, Karl: „Griesheim. Von der steinzeitlichen Siedlung zur lebendigen Stadt“, Griesheim 1991, S. 270.