Guter Born
Der kurze Traum von „Bad Griesheim“
Im Jahr 1671, also gut 20 Jahre nach Ende des 30-jährigen Kriegs, zog eine „Wunderquelle“ in Griesheim kranke Menschen aus ganz Deutschland und den Nachbarländern an. Dem Griesheimer Wasser wurde nachgesagt, eine heilende Wirkung zu haben. Doch die Heilquelle versiegte nach kurzer Zeit wieder. Heutzutage erinnert nur noch der Gedenkstein an den „Guten Born“, der im Jahr 1971 errichtet wurde. Der Fluss und die Gebäude, die darum gebaut wurden, existieren nicht mehr.
Die noch kleine Gemeinde Griesheim wurde im 30-jährigen Krieg zweimal von Plünderern angegriffen und musste hohe Verluste hinnehmen. Auch das Rathaus fiel den Söldnern zum Opfer. Die Heilquelle war also gleichermaßen Chance und Hoffnung der Griesheimer, wieder zu Wohlstand zu kommen. Auch in Darmstadt erregte die Quelle Aufmerksamkeit. Die Fürsten beauftragten den Arzt Dr. Tack, eine Abhandlung über die „Wunderquelle“ und seine Wirkung zu schreiben. Dieses Schriftstück berichtet wie folgt vom „Guten Born“:
„Unterschiedliche Würckungen, die es erweist in vielen Krankheiten, so innerlich als auch äußerlich gebrauchet, in dem es etliche purgiret durch den Stuhlgang, und bald den Geschwollenen und mit Oehlschenckeln lange befallen. Ja es ist den Uebelhörenden und Tauben ihr Gehör eröffnet, den Uebelredenden an der Sprache geholfen, den Uebelsehenden ihr Gesicht merklich theils gestärcket, theils gar wiedergegeben, denen die Seitenstechen gehabt ihre Schmerzen gestillet“.
Wo Heilsuchende aus ganz Europa zusammenkommen, witterten auch Geschäftsmänner den Erfolg. Es siedelten sich Verkäufer um die Quelle an, die Essen und Trinken verkauften. Einer Urkunde zufolge baute Andreas Rechel aus Goddelau ein Haus samt kleinen Einkaufsladen in der Nähe der Quelle. Doch Überreste dieses Hauses konnten nie gefunden werden.
Die große Beliebtheit der Heilquelle sorgte für eine Verschlechterung der Wasserqualität. „Der Brunnen war erst hell, clar, lieblich und erfreulich anzusehen: Er war schmackhaft und machte eine Begierde denen, die ihn sahen zu trinken, allein er wurde durch die Vielheit der Schöpfenden getrübet, daß dannenhero mehr Unreinigkeit mit eingetruncken und außgeschöpft wurde als klares und zum Trinken nötiges Wasser“, schreibt Dr. Tack in seinem Bericht1. Es kam also zu Verunreinigungen, die dafür sorgten, dass eine Aufsichtsperson am „Guten Born“ installiert wurde, die das Wasser herauszugeben hatte. Weiterhin wurde ein Steingewölbe über dem Born gebaut. Auch hiervon konnten jedoch bei archäologischen Ausgrabungen keine Spuren gefunden werden.
Als die Quelle versiegte, endeten auch die Pilgerreisen dorthin. Umso größer war die Überraschung, als das Wasser 1723 plötzlich wieder floss. Erneut kamen kranke Menschen nach Griesheim, die auf der Suche nach Heilung waren. Der Andrang war wieder so groß, dass die umliegenden Wiesen und Felder stark in Mitleidenschaft gezogen worden sind. Der Griesheimer Schultheiß Keller (vergleichbar mit dem heutigen Bürgermeister) schlug den Darmstädtern daher vor, die Pilgermassen über eine Brücke zu führen, um die Naturflächen zu schützen. Dieser Vorschlag traf auf Zustimmung und die sogenannte „hohe Brücke“ wurde errichtet – zur gleichen Zeit versiegte die Quelle jedoch ein weiteres und letztes Mal. Das war das Ende der Griesheimer Heilquelle.
Wie Karl Knapp in seinem Buch „Griesheim. Von der steinzeitlichen Siedlung zur lebendigen Stadt“ berichtet, stellte im Frühjahr 1973 ein Wünschelrutengänger im Bereich der Heilquelle eine kräftige Mineralader fest. Diese liege etwa 100 Meter tief im Boden.
1 Nachzulesen auch in Knapp, Karl: „Griesheim. Von der steinzeitlichen Siedlung zur lebendigen Stadt“.