Griesheimer Haus

Jagdhaus der Landgrafen 1714-1770, zerstört. Ort heute von der Autobahn überbaut.

Aufforstungsmaßnahmen zur Tilgung des Holzbedarfs im 16. Jahrhundert hatten im Westen der Residenzstadt Darmstadt zu einem ansehnlichen Waldbestand geführt. Dies kam der Leidenschaft der Landgrafen Ernst-Ludwig (1667-1739) und Ludwig VIII. (1691-1768) für die höchst angesagte Parforcejagd entgegen. Um mit den Pferden schneller voran zu kommen, ließ Landgraf Ernst-Ludwig zwischen 1714 und 1717 sternförmig vier Schneisen in den Westwald schlagen, in dessen Schnittpunkt er ein Jagdhaus errichten ließ: das Griesheimer Haus.

Ein Jagdhaus diente als Aufenthaltsort der höfischen Gesellschaft während der Jagd. Neben der Aufbewahrung von jagdlicher Ausstattung waren die Häuser für kurze Aufenthalte gedacht. Hier hielten sich die Damen auf, hier konnte man sich ausruhen, speisen, erfrischen. Die Pflege der Anlage mit Haus und Stallungen oblag in diesem Fall dem Griesheimer Förster.

Das Griesheimer Haus lag auf einer achteckigen Erhebung. Es soll ein zweigeschossiges Haus, im Erdgeschoss aus Stein, im Obergeschoss aus Fachwerk, gewesen sein, grün getüncht. Das Haus soll einen Keller sowie eine Küche besessen haben. Einige Räume sollen tapeziert und mit Kaminen ausgestattet gewesen sein. Das Haus war so konzipiert, dass jede der acht Schneisen von einem Fenster aus eingesehen werden konnte.

Um 1736 wurde der Bau vermutlich saniert und um eine Außentreppe erweitert. Nach dem Tod des jagdbegeisterten Landgrafen Ludwig VIII. 1768 verbot sein Nachfolger die Parforcejagd und das Haus verfiel. Es wurde schließlich 1770 abgerissen.

Zwei Abbildungen des Hauses sind erhalten: Ein Gemälde von Johann Georg Stockmar (1700-1759) und eine Gouache von Ernst August Schnittspahn (1795-1882), datiert 1852. Beide Bilder zeigen dasselbe barocke Haus mit weißer Wand, roten Lisenen, schwarzem Mansarddach und Treppenanlage und die Gouache basiert offenbar auf dem Gemälde.

Die älteste schriftliche Schilderung stammt aus dem Jahr 1834 von Oberforstrat Georg Bekker und war anscheinend schon vor ihrer Drucklegung 1921 im Manuskript Interessenten zugänglich, denn schon Ernst Elias Niebergall, der Autor des „Datterich“, verarbeitete einige Details daraus. Niebergall beruft sich ferner auf das Manuskript des nicht näher bezeichneten Jagdzeugverwalters W. und Erzählungen zweier Brüder aus der Bildhauerfamilie Eckardt. Außerdem ließ er mündliche Überlieferungen, die er nach 1832 erhielt, einfließen.

1841 berichtet Niebergall in der Erzählung „Das Griesheimer Haus“ von einer achteckigen Landschaftsarchitektur, eingepasst in die Achsen der Schneisen. Auf dem Hügel hatte inzwischen wohl Großherzog Ludwig III (1806-1877) einen Gedenkstein und ein Gemälde anbringen lassen; Niebergall schildert das Haus auf dem Gemälde als „altfränkisch“, zweigeschossig, mit zwei Treppen und einem hohen Dach. Um 1845 schützte eine Überdachung in Form eines kleinen Tempels das Bild.

Ob es sich um denselben Pavillon handelt, dessen erbärmlicher Zustand in einem Zeitungsartikel von 1910 bedauert wird, oder um dessen Vorgänger, ist unbekannt. Ein Pavillon an eben dieser Stelle wurde 1962 bei einem Sturm zerstört. Die achteckige hügelige Erhebung fiel 1964 dem Autobahnbau zum Opfer.

Rund um das Haus gab es von Anfang an Spukgeschichten. Merkwürdige Phänomene wie plötzlicher Sturm, Nebel und Irrlichter fachten die Fantasie an. Vielleicht wurden die Geschichten auch von der Forstaufsicht geschürt, um Vandalen von dem Haus fern zu halten. Jedenfalls setzte Ernst Pasqué (1821-1892), Sänger und Literat u.a. am Darmstädter Hof, mit seiner Spukgeschichte „Das Griesheimer Haus“ dem längst untergegangenen Jagdhaus ein literarisches Denkmal. Die darin agierenden Personen sind teilweise historisch belegbar. Die Spukgeschichte erschien 1854 in der „Deutsche Romanzeitung“ und 1865 als Buch. Der Griesheimer Verlag Valentin Bassenauer brachte die Geschichte 1964 und in zweiter Auflage 1980 mit einer ausführlichen Einleitung heraus.

Geschichte

1834: Oberforstrat Georg Bekker (1770-1836): „Novelle über das vormalige Griesheimer Haus“. In: Hessische Heimat, Bd. 2, 1921, S. 212-225

1835: Walther, Philipp: Literarisches Handbuch für Geschichte und Landeskunde von Hessen, Darmstadt 1835, Nr. 496 und 497

1839: Aufsatz von Friedrich Hild (1783-1847): Biografische Notizen über einige frühere hiesige Hofmaler. Manuskript. Erstmals veröffentlicht in: Ernst Elias Niebergall: Gesammelte Erzählungen, Hrsg. Harres, Franz, Darmstadt 1896, S. 106-131

1841: Bericht Ernst Elias Niebergall: Das Griesheimer Haus. In:Didaskalia vom 8. bis 18. April 1841: online unter: https://digipress.digitale-sammlungen.de/view/bsb10531042_00071_u001/1

1857: Walther, Ph. A: Drei Erwähnungen in: Der Darmstädter Antiquarius, 1857, S. 217; Darmstadt, wie es war und wie es geworden, S. 185; Darmstädter historische Kleinigkeiten, S. 333.

1862: Wagner, Georg Wilhelm Justin: Die Wüstungen im Großherzogtum Hessen. Starkenburg, 1862, S. 67

1910: Darmstädter Tagblatt vom 4. Juni 1910

2016: Jünger, Daniel: www.stadtlandsand.de

Literatur

Stadtlexikon Darmstadt: Das Griesheimer Haus (Wagemann)

Stadtlexikon Darmstadt: Ernst von Pasquè (Deppert)

Abbildung: Stockmar: Jagdschloss Kranichstein

Abbildung Schnittspahn: „Darmstädter Bauten vor 1850. Nach Gouaschen von Ernst August Schnittspahn. Text von Volker Illgen, hrsg. von Moritz Landgraf von Hessen, Darmstadt 1986“, Abb. 44

Karte: ULB-DA