Formstecherei in Griesheim

100 Jahre Handarbeit: Die Formstecherei in Griesheim

1873 gründete Justus Müller in der Bahnhofstraße 20 die erste Formstecherei der Gemeinde, die sich in Griesheim zu einem wichtigen Handwerkszweig entwickelte. Heutzutage ist dieser Beruf fast ausgestorben. Formstecher stellten Druckwalzen aus Holz beispielweise für die Stoffdruckerei, Linoleum und Seide her. Gleichermaßen war das Handwerk aber auch stark mit der Tapetenherstellung verbunden. Auch in Griesheim konzentrierte man sich auf die Entwicklung der Tapeten. Justus Müller nannte seine Fabrik „Tapeten-Industrie mit eigener Druckwalzenfabrik“. Bis 1996 war die Formstecherei ein anerkannter Lehrberuf, der im Laufe der Zeit der maschinellen Produktion weichen musste.

Das Handwerk stieß auf positive Resonanz in der Griesheimer Gesellschaft. Schon in der Anfangszeit beschäftigte Müller 18 Mitarbeiter in seinem Betrieb. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es neben der Formstecherei Müller noch sechs weitere Betriebe, die Walzen für den Tapetendruck herstellten. Das vom Zeichner vorgefertigte Muster wurde dabei vom Formstecher mit Hilfe von durchsichtigem Kritzpapier auf die Walzen übertragen. Mit einer Nadel ritzte er Umrisse in das Papier und strich Druckerschwärze darauf, ehe das Blatt mit der Farbe auf der Walze befestigt wurde. Durch Klopfen und Reiben wurde die Farbe durch die Ritzen auf die Walze übertragen. Im Anschluss meißelte der Formstecher die Konturen des Musters ein und bog ein dünnes Blech zurecht. Die entstehenden Formen schlug er anschließend bis zur Hälfte in die Walze. So gingen die Walzen dann in die Druckereien.

Für bunte Tapeten mussten allerdings mehrere Walzen hergestellt werden: Für jeden Farbton eine. Die einzelnen Farben wurden übereinander gedruckt, so dass ein buntes Bild entstehen konnte.

Der Erste Weltkrieg brachte große Einschnitte in das Griesheimer Handwerk. Einige Werkstätten mussten ihre Produktion aufgeben, da es nicht genug Handwerker gab. 1953 existierten noch zwei Formstecherbetriebe in Griesheim: Friedmann & Nothnagel und Tapeten-Müller. Um ihre Einnahmen zu verbessern, verkauften die Firmen auch bereits fertige Tapeten und verschiedene Bodenbeläge. Doch im Jahr 1973 beendete die letzte Griesheimer Formstecherei ihre Arbeit. Als Teil der Firma Tapeten-Müller war sie nur noch für die Reparatur der Walzen zuständig gewesen. Die Produktion wurde schon länger von Maschinen übernommen. Der Offsetdruck und die Raufaser als Tapetenersatz signalisierten das Ende des Formstecherhandwerks.