Bahnverkehr
Am 1. August 1846 startete mit der Main-Neckar-Eisenbahn zwischen Frankfurt und Heidelberg mit Halt in Darmstadt der Bahnverkehr in Südhessen. Genau acht Jahre später wurde das Angebot um die Linie Mainz-Darmstadt durch die Ludwigs-Eisenbahngesellschaft erweitert. Weitere Strecken und Haltestellen kamen kontinuierlich hinzu. Seit dem Sommerfahrplan vom 1. Juni 1869 hielt die Riedbahn, die von Darmstadt über Wolfskehlen, Goddelau und weiter bis Worms führte, auch in Griesheim. 1970 wurde die Strecke stillgelegt.
Der Bahnhof lag nördlich des Dorfes, weit von den Häusern entfernt. Auch in Darmstadt war der Weg vom Bahnhof am heutigen Steubenplatz in die Innenstadt zum Markt und zu den Schulen weit und schon 1882 kam der Wunsch nach einer Nebenstrecke für eine Straßenbahn auf. Sie sollte kürzere Wege und eine engere Taktung der Verbindungen bieten. Außerdem war die Anbindung des Truppenübungsplatzes sowohl aus militärischer als auch aus wirtschaftlicher Sicht erstrebenswert. Schließlich kamen Einheiten aus ganz Deutschland zum Üben hierhin. Der Berliner Unternehmer Herrmann Bachstein und die Darmstädter Bank für Handel und Gewerbe gründeten schließlich eine Eisenbahn-Gesellschaft, um dieses Ziel zu erreichen. Planung und Bau der Strecke waren unkompliziert und ab dem 30. August 1886 fuhr die Dampfstraßenbahn regelmäßig von Darmstadt nach Griesheim und von Darmstadt nach Eberstadt. 1890 folgte die Strecke nach Arheilgen. Der Truppenübungsplatz war durch ein Zubringergleis angebunden. Eine kleine Dampflokomotive zog vier bis fünf Wagen. Etwa zehn Mal pro Tag wurden die Haltestellen angefahren. Tickets konnten für die erste, zweite oder dritte Klasse gelöst werden. Sie waren nicht mit den Fahrscheinen der Eisenbahn kombinierbar.
Der Streckenanfang lag in Darmstadt am Ernst-Ludwig-Platz am östlichen Ende der Rheinstraße vor dem Schloss. Die Schienen führten nördlich am Langen Ludwig vorbei und dann weiter nach Westen bis sie nach etwa 6,6 Kilometern am heutigen Georg-Schüler-Platz endeten. Dort befanden sich ein kleiner Lokschuppen und ein Stationsgebäude. An den Endhaltepunkten gab es Umsetzgleise, um die Lok wieder vor den Zug zu bringen.
Für die Darmstädter Innenstadt wünschte man ebenfalls eine Anbindung an einen Personennahverkehr. Bereits 1895 nahm die Stadt Darmstadt zur Firma Siemens & Halske Kontakt auf und seit 1897 fährt „die Elektrisch“ durch Darmstadt. Für die alten Dampfbahnstrecken wünschte man sich ebenfalls eine elektrische Lösung, denn diese verursachte weniger Lärm und weder Ruß noch Gestank. Betreiber der Darmstädter Bahn war die Stadt. Nach einem ausgeklügelten Schlüssel sollten sich die Vororte an den Kosten beteiligen, Arheilgen und Griesheim sahen die Kostenverteilung jedoch als ungerechtfertigt an. Die Verhandlungen zogen sich hin und mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges wurde das Thema vertagt. Eberstadt schaffte gerade noch rechtzeitig die Umstellung.
Für Griesheim und Arheilgen verzögerte sich die Elektrifizierung bis 1926. Beide Orte gehörten zum Mainzer Brückenkopf und waren französisch besetzt. Zwischen Griesheim und Darmstadt verlief eine Grenze, die scharf kontrolliert wurde. Mit gelegentlichen Unterbrechungen konnte die Straßenbahn bis zum 31. März 1922 fahren. Die Wirtschaftskrise und der Kohlemangel machten den Betrieb allerdings unrentabel. Von Darmstädter Seite wurde die Elektrifizierung der Strecke bis zum Waldfriedhof 1923 fertig gestellt. Für Griesheim wurde das Projekt nach längerer Pause wieder aufgegriffen und ab 12. Oktober 1926 gab es endlich eine elektrische Verbindung bis an den östlichen Ortsrand. Die Strecke wurde nach Osten verlängert bis zur Schule, dem heutigen Platz-Bar-Le-Duc. Hier gab es wieder ein Umsetzgleis. Die Wagenhalle, ebenfalls mit der Möglichkeit zum Umsetzen der Lok, wurde 1928 am östlichen Ortsrand errichtet.
Die Einführung neuer Gelenkzüge machte 1961 den Bau einer Gleisschleife für den Rückweg der Bahnen notwendig, was an der Wagenhalle geschah. 1966 folgte der zweigleisige Ausbau zwischen Darmstadt und der Wagenhalle. Fortan konnten die Bahnen ohne Umsetzen weiterfahren. Platz für eine Schleife sah man aber an der Endhaltestelle in Griesheim nicht. Auch für einen zweigleisigen Ausbau im alten Ortskern gab es keinen Raum. Also führte man die Linie 9a ein: Fahrgäste aus dem westlichen Teil Griesheims mussten an der Wagenhalle umsteigen. Die Bahn pendelte eingleisig zum heutigen Platz Bar-Le-Duc. Eingleisig heißt auch, dass sie aus westlicher Richtung dem fließenden Autoverkehr entgegenkam. Zwar erhielt die Bahn im September 1976 eine Umfahrung um das Kochschulhaus, was den Umstieg in die Linie 9a überflüssig machte, aber das gefährliche Kuriosum der Bahn auf der falschen Straßenseite wurde erst mit der Verlegung des neuen Gleiskörpers 1990 abgeschafft.
Mit der Umsetzung des Innenstadtprojekts in den 1980er Jahren wurden die alten Häuser entlang der Wilhelm-Leuschner-Straße abgerissen und die Neubauten nach Norden zurückgesetzt errichtet. Die Straßenbahn erhielt ein eigenes Gleisbett. Für die bessere Andienung der ins Ried fahrenden Busse wurde der Platz Bar-Le-Duc im Jahr 2011 umgestaltet.
Literatur
Bürnheim, Hermann und Jürgen Burmeister: Bahnen und Busse rund um den Langen Ludwig. Stadtverkehr in Darmstadt. 4. Aufl., Düsseldorf, 1997